Artikel 19 der Whistleblower-Richtlinie

Artikel 19: Verbot von Repressalien

Inhalt des Artikels

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 4 genannten Personen vor Repressalien geschützt sind. Dies umfasst insbesondere die in den Absätzen 2 bis 8 des vorliegenden Artikels genannten Maßnahmen.

(2) Unbeschadet des Artikels 3 Absätze 2 und 3 gelten Personen, die nach dieser Richtlinie Informationen über Verstöße melden oder offenlegen, nicht als Personen, die eine Offenlegungsbeschränkung verletzt haben, und sie können für eine solche Meldung oder Offenlegung in keiner Weise haftbar gemacht werden, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung der Information notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken.

(3) Hinweisgeber können nicht für die Beschaffung der oder den Zugriff auf Informationen, die gemeldet oder offengelegt wurden, haftbar gemacht werden, sofern die Beschaffung oder der Zugriff nicht als solche bzw. solcher eine eigenständige Straftat dargestellt haben. Im Fall, dass die Beschaffung oder der Zugriff eine eigenständige Straftat darstellen, unterliegt die strafrechtliche Haftung weiterhin dem nationalen Recht.

(4) Jede weitere mögliche Haftung des Hinweisgebers aufgrund von Handlungen oder
Unterlassungen, die nicht mit der Meldung oder Offenlegung in Zusammenhang stehen oder für die Aufdeckung eines Verstoßes nach dieser Richtlinie nicht erforderlich sind, unterliegt weiterhin dem geltenden Unionsrecht oder nationalem Recht.

(5) In Verfahren vor einem Gericht oder einer anderen Behörde, die sich auf eine vom Hinweisgeber erlittene Benachteiligung beziehen und in denen der Hinweisgeber geltend macht, diese Benachteiligung infolge seiner Meldung oder der Offenlegung erlitten zu haben, wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war. In diesen Fällen obliegt es der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte.

(6) Die in Artikel 4 genannten Personen erhalten Zugang zu geeigneten Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien einschließlich einstweiligen Rechtsschutzes während laufender Gerichtsverfahren nach Maßgabe des nationalen Rechts.

(7) In Gerichtsverfahren, einschließlich privatrechtlicher, öffentlich-rechtlicher oder arbeitsrechtlicher Gerichtsverfahren wegen Verleumdung, Verletzung des Urheberrechts, Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften, Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie Schadensersatzverfahren, können die in Artikel 4 genannten Personen aufgrund von Meldungen oder von Offenlegungen im Einklang mit dieser Richtlinie in keiner Weise haftbar gemacht werden. Diese Personen haben das Recht, unter Verweis auf die betreffende Meldung oder Offenlegung die Abweisung der Klage zu beantragen, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken.
Wenn eine Person Informationen über in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Verstöße meldet oder offenlegt, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, und wenn diese Person die Bedingungen dieser Richtlinie erfüllt, gilt diese Meldung oder Offenlegung als rechtmäßig im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/943.

(8) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Rechtsbehelfe und eine vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens für die in Artikel 4 genannten Personen entsprechend dem nationalem Recht vorgesehen sind.

Kommentar zu Artikel 19

Nach Artikel 19 Whistleblower-Richtlinie (WBRL) haben die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zu ergreifen, damit Personen die dem persönlichen Anwendungsbereich der Hinweisgeberrichtlinie unterfallen nicht durch Repressalien belastet werden. Es folgt ein nicht abschließender „insbesondere“ Katalog von verbotenen Repressalien. Hierbei handelt es sich um

  • Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen;
  • Herabstufung oder Versagung einer Beförderung;
  • Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit;
  • Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen;
  • negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses;
  • Disziplinarmaßnahme, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen;
  • Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung;
  • Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung;
  • Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen;
  • Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags;
  • Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste);
  • Erfassung des Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“ auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet;
  • vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen;
  • Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung;
  • psychiatrische oder ärztliche Überweisungen.

Nach der in Art. 5 Nr. 11 WBRL genannten Legaldefinition handelt es sich bei Repressalien um direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelöst werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Das Repressalienverbot besteht nicht nur im direkten Verhältnis zum Arbeitnehmer. Ausreichend können auch indirekte Repressalien sein, die beispielsweise durch Kollegen oder Führungskräfte ausgeübt werden und gefördert oder zumindest geduldet werden. Der rund 15 Aspekte umfassende Katalog zeigt eindrucksvoll, wie umfassend der Richtliniengeber Hinweisgeber schützen will.

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