Artikel 23 der Whistleblower-Richtlinie

Artikel 23: Sanktionen 

Inhalt des Artikels

(1) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für natürliche oder juristische Personen fest, die
a) Meldungen behindern oder zu behindern versuchen;
b) Repressalien gegen die in Artikel 4 genannten Personen ergreifen;
c) mutwillige Gerichtsverfahren gegen die in Artikel 4 genannten Personen anstrengen;
d) gegen die Pflicht gemäß Artikel 16 verstoßen, die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern zu wahren.

(2) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Hinweisgeber fest, denen nachgewiesen wird, dass sie wissentlich falsche Informationen gemeldet oder offengelegt haben. Die Mitgliedstaaten sehen auch Maßnahmen entsprechend dem nationalem Recht zur Wiedergutmachung von Schäden vor, die durch diese Meldungen oder Offenlegungen entstanden sind.

Kommentar zu Artikel 23

Nach Art. 23 Abs. 1 Whistleblower-Richtlinie (WBRL) tragen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge, dass die betroffenen Personen ihre Rechte im Meldeverfahren in vollem Umfang wahrnehmen können. Insbesondere ist der Person Einsicht in die Akten zu gewähren und das Recht auf rechtliches Gehör zu gewähren. Zudem müssen die Mitgliedsstaaten abschreckende Schutzmechanismen installieren, um den Hinweisgeber vor falschen Beschuldigungen zu schützen. Soweit ersichtlich, verhält sich der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes aus dem Jahr 2020 nicht zu derartigen Rechtsbehelfen, weswegen diese in einem Entwurf im Jahr 2022 nachzufassen wären.

Falsche und irreführende Informationen in Erwägungsgrund 101

Art. 23 Abs. 2 WBRL regelt einen sehr wichtigen Bereich, nämlich den Schutz der betroffenen Person, die zu Unrecht beschuldigt wird. Den Hinweisgebern muss nachgewiesen werden, dass sie wissentlich falsche Informationen gemeldet haben. In Erwägungsgrund 101 WBRL wird dazu ausgeführt, dass der betroffenen Person Schadensersatzansprüche zustehen sollten, wenn „ungenaue Informationen“ wissentlich oder vorsätzlich gemeldet wurden:

Personen, die infolge einer Meldung oder Offenlegung ungenauer oder irreführender Informationen eine direkte oder indirekte Benachteiligung erfahren, sollten weiterhin den ihnen nach allgemeinem Recht zustehenden Schutz genießen und auf die nach allgemeinem nationalem Recht verfügbaren Rechtsbehelfe zurückgreifen kön­nen. In Fällen, in denen diese ungenauen oder irreführenden Informationen vorsätzlich und wissentlich gemel­det oder offengelegt wurden, sollten betroffene Personen Anspruch auf Schadensersatz nach nationalem Recht haben.

Any person who suffers prejudice, whether directly or indirectly, as a consequence of the reporting or public disclosure of inaccurate or misleading information should retain the protection and the remedies available to him or her under the rules of general national law. Where such inaccurate or misleading information was reported or publicly disclosed deliberately and knowingly, the persons concerned should be entitled to compen­sation in accordance with national law.

Die Übersetzung „ungenaue Information“ dürfte jedoch falsch sein. In der englischen Sprachfassung der Richtlinie heißt es „inaccurate or misleading information“. Danach dürfte „inaccurate“ wohl eher als „unzutreffend“ oder schlicht „falsch“ zu übersetzen sein (in der französischen Sprachfassung heißt es ebenso „inexactes“, was als unrichtig übersetzt werden kann). Dies dürfte auch am ehesten der Schutzrichtung der Richtlinie entsprechen. Nach dem deutschen Recht dürfte hier eine Parallele zur Strafbarkeit einer falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB zu ziehen sein, dem vereinfacht gesagt eine Strafbarkeit nur dann begründet ist, wenn jegliche Anhaltspunkte für die vorgeworfene Tat fehlen und dies auch bekannt war.

Die Durchsetzung der Rechte der betroffenen Person setzt allerdings voraus, dass ihr die Identität des Hinweisgebers bekannt wird. Nach Art. 22 Abs. 2 WBRL ist die Identität des Hinweisgebers jedoch für die Dauer der Untersuchungen geheim zu halten. Der Entwurf des Bundesjustizministeriums zum Hinweisgeberschutzgesetz enthält noch keine Regelungen für die Rechte der in den Hinweis genannten Personen.

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Johannes von Rüden

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