Bundesgerichtshof: VW muss trotz Verjährung Restschadensersatz zahlen

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut eine wegweisende Entscheidung im Dieselskandal getroffen: Besitzern von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen steht ein Schadensersatzanspruch nach § 852 BGB zu – auch wenn der Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB bereits verjährt ist. Das entschied der BGH mit Urteilen vom 21. Februar 2022. Trotz eingetretener Verjährung haben Käufer von VW-Neuwagen demnach noch Anspruch auf Entschädigung von der Volkswagen AG.

Bereits Mitte 2020 hatte der BGH klargestellt, dass VW für den „Skandalmotor“ des Typs EA189 auf Schadensersatz haftet. Doch aus Sicht vieler Betroffener kam die Entscheidung so spät, dass sie davon ausgingen, wegen bereits eingetretener Verjährung nicht mehr erfolgreich gegen VW vorgehen zu können.

Schadensersatzanspruch nach § 852 BGB verjährt erst nach zehn Jahren

Ansprüche aus dem VW-Abgasskandal wären gemäß der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 826 BGB bereits Ende 2019 verjährt. Mit dem aktuellen Urteil vom 21. Februar 2022 hat der Bundesgerichtshof betrogenen Dieselkäufern jedoch eine neue Möglichkeit eröffnet, auch jetzt noch gegen VW vorzugehen und Ansprüche im Dieselskandal geltend zu machen (Az. VIa ZR 8/21; Az. VIa ZR 57/21).

Gemäß § 852 BGBmuss der Ersatzpflichtige – die Volkswagen AG – auch nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung das herausgeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten erlangt hat. Bei dem Anspruch aus § 852 BGB handelt es sich um einen sogenannten deliktischer Schadensersatzanspruch. Die Volkswagen AG muss demnach den im Rahmen des Abgasskandals erlangten finanziellen Vorteil an die geschädigten Autokäufer zurückgegeben. Die Verjährung tritt in diesem Fall frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein.

VW muss Kaufpreis zum Teil zurückerstatten

Vor dem BGH ging es um zwei Dieselfahrzuge der Volkswagen AG mit dem Motor EA189. Der Kläger im Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 8/21 hatte im April 2013 einen neuen VW Golf Cabrio „Life“ TDI zu einem Kaufpreis von 30.213,79 Euro gekauft. VW hatte in dem Motor des Fahrzeugs eine Software verbaut, die erkennt, ob sich das Auto auf einem Prüfstand befindet. Im Testzyklus wechselt der Motor mit der Abschalteinrichtung vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus. Das zweite Verfahren (Az. VIa ZR 57/21) betraf einen VW EOS 2.0 TDI, der über die gleiche unzulässige Abschalteinrichtung verfügt.

Die obersten Richter in Karlsruhe entschieden, dass VW nicht nur den reinen Gewinn aus dem Verkauf herausgeben muss, wie VW in sämtlichen gerichtlichen Verfahren argumentiert hatte. Geschädigte im VW-Dieselskandal haben einen Anspruch auf Erstattung des vollen Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer gegen Rückgabe des Autos.

Wegweisende BGH-Entscheidung für Dieselkläger

Die zuständigen Landes- und Oberlandesgerichte hatten die Klagen der geschädigten VW-Käufer abgewiesen. Die Argumente der Vorinstanzen: Klägern stehe nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB kein Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 BGB zu, weil Geschädigte schon vor Eintritt der Verjährung in der Lage gewesen seien, ihren Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen. Der Anspruch auf Restschadensersatz setze voraus, dass dem Geschädigten eine Rechtsverfolgung vor Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB erschwert oder unmöglich gewesen sei. Das sei nicht der Fall gewesen, daher sei der Schutzzweck des § 852 BGB zugunsten des Klägers nicht eröffnet worden.

Die Richter am BGH sehen das jedoch anders und haben die Berufungsurteile in beiden Verfahren aufgehoben – eine wegweisende Entscheidung für Dieselkläger. Die Urteile bedeuten, dass auch dann noch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können, wenn der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB wegen Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr besteht.

VW-Dieselskandal: Jetzt Anspruch auf Schadensersatz prüfen lassen!

Wer einen vom Dieselskandal betroffenen VW-Neuwagen mit dem Motor EA189 gekauft und noch nicht gegen die Volkswagen AG geklagt hat, kann noch Anspruch auf eine Entschädigung haben. Der Erwerb darf jedoch nicht länger als zehn Jahre zurückliegen. Die aktuellen BGH-Urteile betreffen VW-Dieselbesitzer, die ihr Fahrzeug als Neuwagen zwischen Februar 2012 und September 2015 erworben haben – als der Dieselskandal aufgedeckt wurde.

Betroffene VW-Kunden sollten sich umgehend beraten und ihre Ansprüche berechnen lassen. In den meisten Fällen geht es um mehrere Tausend Euro, die Geschädigte einklagen können. Nutzen Sie gern unsere kostenlose Erstberatung. Unsere auf den VW-Abgasskandal spezialisierten Anwälte klären mit Ihnen, wie die Erfolgsaussichten in Ihrem Fall sind und mit welcher Entschädigungssumme Sie gegebenenfalls rechnen können.