Daimler-Urteile: LG Stuttgart im Abgasskandal

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Im Zuge des Abgasskandals hat die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN zwei weitere Erfolge für Mercedes-Kunden erzielt. Mit Urteilen vom 17.01.2019 (Az.: 23 O 178/18 und 23 O 172/18) entschied das Landgericht Stuttgart, dass die Daimler AG den Käufern von Fahrzeugen des Typs

  • E 250 CDI BlueEFFICIENCY, Baujahr 2011, EURO 5, Motor OM 651
  • C 250d, BlueTEC, Baujahr 2015, EURO 6, Motor OM 651

den Kaufpreis abzüglich des Gebrauchsvorteils zurückzahlen muss.

Landgericht Stuttgart für Daimler- Klagen örtlich zuständig

Pikant ist, dass gerade das LG Stuttgart örtlich für alle Klagen gegen die Daimler AG wegen Abschalteinrichtungen zuständig ist, so Rechtsanwalt Fabian Heyse.

Die streitgegenständlichen Daimler Fahrzeuge waren (und sind noch) nicht von einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen. Von Daimler wird lediglich im Rahmen einer freiwilligen Rückrufaktion ein Diesel Software-Update angeboten. Sofern uns bekannt, wurde der freiwillige Rückruf von Daimler noch nicht flächendeckend in Angriff genommen.

Das Gericht folgte der Argumentation der Rechtsanwälte der Kanzlei VON RUEDEN, wonach die Daimler AG durch den Einbau der Abschalteinrichtung die Kläger sittenwidrig geschädigt hat. Die Kläger haben deshalb einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Thermofenster: Abgasrückführung bei niedrigen Temperaturen reduziert

Die Kanzlei VON RUEDEN hat substantiiert vorgetragen, dass die Abgasrückführung bei „niedrigen“ Temperaturen reduziert wird (Thermofenster). Das Gericht ist in beiden Verfahren der Auffassung gefolgt, dass deshalb eine (unzulässige) Abschaltvorrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 vorliegt. Eine solche Abschaltvorrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007). Daimler hatte schriftsätzlich vortragen lassen, dass „die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug bis zu zweistelligen Minusgraden aktiv bleibe“.

Das Gericht hat die Beklagte mit Verfügung vom 30.11.2018 darauf hingewiesen, dass sie darlegen möge, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird und ggf. um welchen Grad eine Reduktion eintritt. Das Gericht hat die Beklagte mit Verfügung vom 30.11.2018 ferner auf ihre sekundäre Darlegungslast bezüglich der etwaigen Kenntnis der Vorstandsebene bzw. der Repräsentanten hinsichtlich der o.g. Abschaltvorrichtung hingewiesen.

Daimler wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen Hinweisen Stellung zu nehmen.

Beide mündlichen Verhandlungen am 11.12.2018 hat Rechtsanwalt Fabian Heyse für die Kläger wahrgenommen. Daimler beantragte in diesen Verhandlungen jeweils einen Schriftsatznachlass bzgl. der Hinweise des Gerichts vom 30.11.2018. Das Gericht gewährte den Schriftsatznachlass jeweils nicht, da Daimler bereits eine Stellungnahmefrist zu den Hinweisen erhalten hatte. Sodann erhielt Daimler einen Schriftsatznachlass auf den klägerischen Schriftsatz (vor Termin) vom 03.12.2018 bis zum 10.01.2019. Mit Schriftsatz vom 10.01.2019 hat Daimler bezogen auf das Thermofenster dann wie folgt vortragen lassen:

„Im Falle relativ niedriger Temperaturen ist die Rate der Abgasrückführung (AGR) zur Senkung des Versottungsrisikos bei betriebswarmem Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug bei einer Umgebungslufttemperatur von 7°C oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu 45% niedriger als bei höheren Temperaturen und bleibt auf diesem Niveau bis zum Unterschreiten einer Umgebungslufttemperatur von -30°C, bei der sie abgeschaltet wird. Diese Kalibrierung, also Einstellung des Systems, geschieht nach der Verordnung (EG) 715/2007, weil „die Notwendigkeit der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird“.

Damit erkennt Daimler nach Auffassung der Klägervertreter die Existenz einer illegalen Abschaltvorrichtung an. 45% niedriger, somit um bis zu 45% reduziert!

Daimler versucht in der Folge darzulegen, dass diese Reduktion aus Gründen des Bauteil-/Motorschutzes erforderlich und damit ausnahmsweise zulässig sei. Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die Ausnahme eng auszulegen sei. Offensichtlich konnte Daimler das Gericht nicht von der ausnahmsweisen Zulässigkeit der illegalen Abschaltvorrichtung überzeugen, andernfalls hätte es Beweis erhoben, und keine klagestattgebenden Urteile erlassen.

Der prozessführende Partner der Kanzlei, Rechtsanwalt Fabian Heyse, vermutet, dass diese illegalen Abschaltvorrichtungen serienmäßig bei Fahrzeugen der Emissionsklassen EURO 5 und EURO 6 verbaut sein könnten. Gleiches, so vermutet er, dürfte für die vom Rückruf betroffenen Fahrzeuge der Emissionsklasse EURO 6 SCR (BlueTEC/Harnstofflösung) gelten. Auch der SCR Kat arbeitet erst bei Betriebstemperatur des Fahrzeuges. Eine Reduzierung/Dosierung der Harnstoffzufuhr ist daher ebenfalls wahrscheinlich.

„Das LG Stuttgart sieht die Darlegungslast bei der Daimler AG. Der Autokonzern muss aufgrund bestimmter von unseren Mandanten vorgetragenen Verdachtsmomenten und des Umstandes der sog. freiwilligen Kundendienstmaßnahme Diesel Software-Update der Daimler AG, die nichts anderes als ein freiwilliger Rückruf ist, um einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt zuvorzukommen, selbst die Karten auf den Tisch legen und beweisen, dass keine illegalen Abschalteinrichtungen verbaut wurden.“ Das ist nicht gelungen, so Fabian Heyse.

Sollten die Urteile rechtskräftig werden, bekommen die Kläger ihren Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurück – die Kosten für den Prozess und die seiner anwaltlichen Vertretung muss überwiegend die Daimler AG tragen.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig.