Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat heute in einer Pressekonferenz bisher geheim gehaltene Unterlagen der Volkswagen AG vom 3. November 2015 zum CO2-Betrug veröffentlicht. Vorausgegangen war ein über fünfjähriger Rechtsstreit, bei dem das Verkehrsministerium und die Volkswagen AG eng kooperiert haben, um die Veröffentlichung der VW-CO2-Betrugs-Akte zu verhindern. Die DUH wirft dem Bundesverkehrsministerium eine aktive Unterstützung des CO2-Betrugs der Volkswagen AG und eine Schädigung von 800.000 VW-Besitzern vor.
Nach der Ende April 2021 vom Bundesverwaltungsgericht angeordneten Entscheidung zu Aushändigung der VW-Akte hat die DUH die brisanten Unterlagen jetzt endlich erhalten. Die Auswertung der Behördenakten zum CO2-Abgasbetrug von VW im November 2015 zeigt, wie das Bundesverkehrsministerium dem Konzern mindestens zwei Milliarden Euro erspart und damit 800.000 VW-Fahrer und den Bundeshaushalt geschädigt hat.
Verkehrsministerium hat VW ermutigt, den Abgasbetrug fortzusetzen
Anfang November 2015 war Volkswagen bereit, falsche Angaben zu CO2-Messungen zu korrigieren und zu niedrige Kfz-Steuereinnahmen auszugleichen. Der Autokonzern wollte den 800.000 betroffenen Fahrzeugbesitzern den Mehrverbrauch erstatten und „Flexibilitäten“ bei der Typprüfung künftig „nicht mehr einseitig ausnutzen“. VW bat die Politik daher um Nachbesserung der bestehenden Typengenehmigung, doch das von Verkehrsminister Dobrindt (CSU) geführte Verkehrsministerium ermutigte den Autokonzern, die Selbstanzeige zurückzunehmen und den Abgasbetrug fortzusetzen.
Anlass für die Aufforderung der DUH an den damaligen CSU-Verkehrsminister Dobrindt, die Akten zur CO2-Selbstanzeige offenzulegen, waren laut Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, Whistleblower-Hinweise aus dem VW-Konzern und aus dem Verkehrsministerium, wonach VW aufgefordert wurde, seine Selbstanzeige zurückzunehmen. „Wir wollten wissen, welche Verstöße VW beim Klimagasbetrug eingestanden und wie die ‚schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz‘, die der VW-Vorstandsvorsitzende Müller versprochen hatte, denn konkret aussah. Und wie es dazu kam, dass nur wenige Wochen später die Selbstanzeige durch VW zurückgezogen und alles als ein großes Missverständnis dargestellt wurde“, so Resch.
Falsche CO2-Angaben beibehalten
Das zwölfseitige Dokument gibt einen Einblick, wie trickreich VW und andere Hersteller die CO2-Werte ihrer Fahrzeuge geschönt haben. Das Dokument zeigt auch, dass VW am 3. November 2015 ankündigt hat, ehrlichere Abgas- wie CO2-Messungen vorzunehmen und „Flexibilitäten“ nicht mehr einseitig auszunutzen. Die falschen CO2-Angaben wollte VW innerhalb von zwei Wochen korrigieren, zu niedrige Kfz-Steuereinnahmen ausgleichen, den 800.000 betroffenen Fahrzeugbesitzern den Mehrverbrauch zu erstatten und möglicherweise „Wandlungsrechte für Kunden“ anerkennen. Doch das Verkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt reagierten laut Resch offenbar wenig begeistert auf die plötzliche Ehrlichkeit von VW. Man habe im Verkehrsministerium wohl „keine Lust“ gehabt, sich mit dem Thema zu beschäftigen – und auch andere Hersteller zeigten sich alarmiert und befürchteten Auswirkungen.
Also wies VW zwei Wochen später – am 19. November 2015 – darauf hin, dass man bezüglich der CO2-Werte doch nichts verändern wolle. Stattdessen trafen sich Unternehmensvertreter und deren Anwaltskanzlei Freshfields mit Vertretern des Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu einem „Informationsgespräch“. Das Ministeriums nimmt laut Protokoll „zustimmend zur Kenntnis“, dass VW – „entgegen ersten Darstellungen“ – seine Nachmessungen nun doch nicht nach „schärferen Vorschriften“ vornimmt.
Auch Opel im Abgasskandal von Behörden geschont
Ein vom Bundesverkehrsministerium beauftragtes und bisher geheim gehaltenes Gutachten belegt außerdem, dass es bereits früh Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Abgasreinigung einiger Diesel-Pkw von Opel und weiterer Hersteller gab. In diesen Unterlagen werden erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der temperaturgesteuerten Abgasreinigung von Opel-Modellen geäußert. So gebe es in einigen Fahrzeugen ein „zu enges Betriebsfenster“ der Abgasreinigung, das so nicht erforderlich sei. Opel hatte 25 Grad als „Normal Use” definiert und dem KBA die temperaturgesteuerte Abgasrückführung nicht offengelegt.
Axel Friedrich, wissenschaftlicher Berater der DUH, ist empört über das Vorgehen der Behörden: „Unsere Behörden lassen von unabhängiger Stelle ein Gutachten erstellen, in dem die Rechtmäßigkeit von Opels Abgasnachbehandlung eindeutig in Frage gestellt wird. Dieses Wissen wird aber nicht etwa mit zehntausenden betroffenen Fahrzeughaltern geteilt, sondern in der Schublade vergraben. Damit ist das Ministerium dafür verantwortlich, dass weiter sehr hoher Schadstoffausstoß unsere Atemluft vergiftet.“
Verbraucher werden von Behörden alleingelassen
Verbraucherinnen und Verbraucher blieben dadurch in ihren rechtlichen Auseinandersetzungen gegen Opel allein. Das Wissen um das Gutachten und dessen Schlussfolgerungen hätten die Klageaussichten der Fahrzeughalter vor Gericht erheblich verbessert. „Auch in diesem Fall war das Verkehrsministerium auf Seiten der Autohersteller und nicht der der Bürgerinnen und Bürger“, so Friedrich weiter.
Weil der Wirtschaftsminister die realen Abgasdaten für die CO2-Steuer nicht freigibt, werden Verbraucher in Deutschland außerdem im Unklaren darüber gelassen, wie hoch ihre Kfz-Steuer ausfällt. Die Abweichungen zwischen den Angaben der Autohersteller und den wirklichen Emissionen betragen laut Friedrich je nach Modell zwischen 18 und 86 Prozent. Der Verkehrsexperte fordert die Ministerien auf, sich nicht länger dem Druck der Autoindustrie zu beugen und endlich zu handeln, damit die Klimaziele 2030 noch erreicht werden können.