Höchstrichterliche Entscheidung: BGH verurteilt VW im Abgasskandal zu Schadensersatz

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Heute, 25. Mai 2020, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Volkswagen AG im Abgasskandal zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet ist. Aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung muss Volkswagen den klagenden Verbraucher entschädigen und das manipulierte Fahrzeug zurücknehmen.

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Das Urteil ist ein wichtiger Meilenstein in der juristischen Aufarbeitung des Abgasskandals: Der BGH – das oberste Gericht Deutschlands – hat entschieden, dass VW seine Kunden im Dieselskandal vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. VW habe sowohl das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das für die Zulassung der Fahrzeuge in Deutschland zuständig ist, als auch die Kunden arglistig getäuscht, so der BGH. Der Volkswagenkonzern muss dem klagenden Verbraucher aus Rheinland-Pfalz nun gut 25.600 Euro zuzüglich Zinsen zahlen.

Vom gesamten Kaufpreis des gebrauchten VW Sharan in Höhe von 31.000 Euro wird eine Nutzungsentschädigung abgezogen. Diese Nutzungsentschädigung von rund 6.000 Euro wird fällig, weil der Kläger das Fahrzeug bereits rund 20.000 Kilometer gefahren hat. Die Nutzungsentschädigung fällt jedoch geringer aus als der Wertverlust, den das Fahrzeug aufgrund des Abgasskandals erlitt. Zudem muss VW das manipulierte Fahrzeug des Klägers zurücknehmen.

Motor EA189: illegale Abschalteinrichtung verbaut

Das Fahrzeug des klagenden VW-Kunden war ein VW Sharan mit einem 2-Liter EA189-Dieselmotor der Abgasnorm Euro 5. In diesem Fahrzeug war eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, die die Abgasreinigung gehemmt oder sogar gänzlich unterbunden hat. Während das Dieselfahrzeug auf dem Prüfstand die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhielt und so die Zulassung bekam, stieß es im Normalgebrauch auf der Straße weit mehr schädliche Stickoxide aus als erlaubt. Der Grund: Die Abgasrückführung wurde in Testsituationen in vollem Umfang durchgeführt, auf der Straße jedoch nicht. Eine Schummelsoftware in der Motorsteuerung erkannte die Prüfsituation und manipulierte dann den Stickoxidausstoß, um eine Zulassung zu erschleichen. So tragen diese manipulierten Dieselfahrzeuge zur schlechten Luftqualität bei und provozieren Fahrverbote in den Städten.

Abschalteinrichtung schädigt Kunden vorsätzlich und sittenwidrig

Der BGH entschied, dass Volkswagen mit diesem Mechanismus den klagenden Kunden aus Rheinland-Pfalz nach § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Dass der Autokonzern die Manipulation der Abgasreinigung systematisch, langwierig und weltweit vorgenommen hat, rechtfertig den Schadensersatz umso mehr, so der BGH in seinem heutigen Urteil.

Der Kunde hätte den Kaufvertrag nicht unterschrieben, wenn er von der illegalen Abschalteinrichtung gewusst hätte. Der Schaden liege daher im so nicht gewollten Vertragsschluss. Damit entstand der Schaden bereits mit Kauf des Fahrzeugs. Auch das 2017 vom Kläger zwangsweise durchgeführte Softwareupdate ändere nichts am Schaden, erklärte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters bei der Urteilsverkündung.

Verbraucherfreundliche Urteile in Deutschland und ganz Europa möglich

Mit seinem Urteil bestätigt der BGH das vorherige Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz im Wesentlichen. Gleichzeitig bestätigt der Bundesgerichtshof seine verbraucherfreundliche Haltung, die er bereits am 5. Mai in einer vorläufigen Rechtsauffassung angedeutet hatte. Das heutige Urteil wird sich nun auf alle weiteren Urteile im VW-Abgasskandal von deutschen Gerichten auswirken. Denn: alle übrigen Gerichte orientieren sich an den Entscheidungen des höchsten Gerichts in Deutschland. zurzeit sind etwa 60.000 Klagen bei Gerichten anhängig – die Urteile stehen hier noch aus. mit der BGH-Entscheidung herrscht nun Rechtsklarheit im VW-Dieselskandal und Kläger können mit ähnlich verbraucherfreundlichen Urteilen rechnen. Daher ist davon auszugehen, dass nun eine ganze Klagewelle auf VW einbricht.

Ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Abgasskandal steht noch aus. Ende April hatte die Generalstaatsanwältin Eleanora Sharpston in ihren Schlussanträgen die Abschalteinrichtungen in VW-Dieselmotoren bereits für illegal erklärt. Es ist wahrscheinlich, dass die Richter am EuGH dieser Einschätzung in ihrem Urteil folgen werden.

Noch keine Verjährung der Ansprüche gegen VW

Verbraucher, die an der Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen teilgenommen und das Vergleichsangebot vor einigen Wochen angenommen haben, können jedoch nicht mehr klagen. Mit der Annahme des VW-Angebots verzichteten sie gleichzeitig auf weitere rechtliche Schritte gegen den Wolfsburger Autobauer. Der Abgasskandal ist für sie beendet. Alle übrigen VW-Fahrer können jedoch noch bis mindestens Oktober 2020 klagen – bis dahin sind die Ansprüche noch nicht verjährt.

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