Nach der Aufdeckung des Abgasbetrugs bei Volkswagen am 18. September 2015 hat Audi in Ingolstadt offenbar im großen Stil Dokumente und Dateien vernichtet. Mitarbeitern zufolge hat beim Autohersteller Panik geherrscht. Die Ermittler sollten bei der VW-Konzernschwester keine Beweise für den gigantischen Wirtschaftsskandal finden. Das Ausmaß der Datenlöschung muss gigantisch gewesen sein.
Das Online-Wirtschaftsmagazin Business Insider berichtet, dass massenhaft Dokumente zum Dieselskandal vernichtet worden sind. Ein geheimer Bericht der Kanzlei Jones Day im Auftrag des VW-Konzerns macht deutlich, wie Audi-Ingenieure Beweise vernichtet haben. Der Bürofußboden soll laut Zeugenberichten mit Papierschnipseln bedeckt gewesen sein.
Dem streng vertraulichen Bericht zufolge haben „Personen innerhalb der Diesel-Gruppe“ zwischen dem 18. und 30. September 2015 „Hunderttausende Dateien von ihren Computern, externen Geräten und Netzwerklaufwerken“ gelöscht. Außerdem sei eine nicht mehr bestimmbare Menge von Papierakten geschreddert und entsorgt worden.
Bei VW soll es zu Beginn der Abgasaffäre ebenfalls Versuche gegeben haben, Beweise zu vernichten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig geht diesem Verdacht nach und ermittelt wegen Urkundenunterdrückung und versuchter Strafvereitelung gegen einen der VW-Juristen.
Schredder-Orgien bei Audi
In Ingolstadt habe damals eine „Atmosphäre von Panik und Chaos“ geherrscht, so der Jones-Day-Bericht. Zeugen geben an, die Diesel-Ingenieure hätten große Datenmengen auf externe Festplatten kopiert und dann gelöscht. Außerdem wurde eine „ungewöhnlich hohe Zahl an USB-Speichergeräten und Festplatten“ geordert.
An einigen Abenden gab es laut Zeugen regelrechte Schredder-Orgien und der Fußboden des Raums für die Aktenvernichtung sei mit Papierschnipsel bedeckt gewesen. Insgesamt haben dem Bericht zufolge 14 Audi-Mitarbeiter in Gesprächen zugegeben, Daten und Akten vernichtet zu haben, zwei verdächtige Manager hatten das abgestritten.
Spezielle Lösch-Software genutzt
Einer der Ingenieure gab in der Vernehmung an, die Daten nach Schlüsselbegriffen wie „Zykluserkennung“ oder „Akustikfunktion“ durchsucht und gelöscht zu haben. Begründet wurde die Datenvernichtung damit, dass man den Vorstand „schützen“ wollte.
Für die Löschung von Dateien sei eine Spezial-Software wie „WipeFile“ genutzt worden, um eine Rekonstruktion der Dokumente unmöglich zu machen. Tatsächlich ist es dann auch nicht gelungen, relevante Unterlagen wiederherzustellen.
Die verbliebenen Beweise reichten der Staatsanwaltschaft München aber aus, um gegen vier Audi-Manager Anklage zu erheben, darunter der Ex-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler. Der Prozess beginnt voraussichtlich im nächsten Herbst. Die Ermittler werfen Stadler unter anderem vor, er habe versucht, den Abgasbetrug in Amerika und Europa zu vertuschen.
Ein Audi-Sprecher erklärte zu dem Jones-Day-Bericht: „Die Vorwürfe sind bekannt, und sie sind hinreichend untersucht.“ Sie seien aber Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungsverfahren, „zu denen wir uns nicht äußern“.