OLG Stuttgart lehnt Berufung im Mercedes-Dieselskandal ab: VON RUEDEN erstreitet verbraucherfreundliches Urteil

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat einem im Dieselskandal klagenden Mercedes-Besitzers einen „Sieg durch die Hintertür“ verschafft. Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN konnte die Forderungen ihres Mandanten im Wesentlichen durchsetzen – auf ungewöhnliche Weise: Das Urteil gegen die Daimler AG wird rechtskräftig, weil die Berufung der Klägerseite und damit auch die Anschlussberufung der Daimler AG vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zurückgewiesen wurde. Das Urteil ist die zweite rechtskräftige Entscheidung gegen die Daimler AG im Abgasskandal. Weil der Kläger die Berufung nicht zurückzog, muss der Autobauer 92 Prozent der Kosten des Berufungsverfahrens tragen.

Der Fall wurde zunächst vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt. Es ging um einen Mercedes-Benz ML 350 BLUETEC 4MATIC mit der Abgasnorm Euro 6, der vom Kraftfahrt-Bundesamt wegen des Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen verpflichtend zurückgerufen worden war. Daimler wurde zur Zahlung von rund 34.220 Euro Schadensersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt (Az. 20 O 190/20).

Mehrere Abschalteinrichtungen reduzieren Abgasreinigung

Der Kläger hatte Schadensersatz von der Daimler AG gefordert, weil in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer temperaturgesteuerten Abgasrückführung zum Einsatz komme. Durch eine Software der Motorsteuerung werde die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur gesteuert. Außerhalb von Umgebungstemperaturen von 20° C bis 30° C werde die Abgasreinigungsleistung reduziert bzw. gänzlich eingestellt. Zudem enthalte die Steuerungssoftware eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung, die für eine reduzierte Wirkung des SCR-Systems sorgt, wodurch die Stickoxidemissionen anstiegen.

Die Richter am Landgericht hielten die Klage für überwiegend begründet. Der Schaden sei durch das Verhalten der beklagten Daimler AG entstanden und fahrlässig gewesen. Daher habe der Kläger Anspruch auf Schadensersatz, müsse sich aber für die gefahrenen Kilometer Vorteile in Höhe von rund 15.770 Euro anrechnen lassen.

Daimler habe das Fahrzeug produziert und in Verkehr gebracht. Dabei wurde eine EG-Typgenehmigung erlangt, „ohne dass die erforderliche Voraussetzung, dass die Stickoxidemissionen im realen Fährbetrieb unter normalen Betriebsbedingungen die Grenzwerte nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht überschreiten, vorgelegen hätte“, so die Richter in der Urteilsbegründung. Der Fortbestand der EG-Typgenehmigung hänge aber wesentlich an der Einhaltung dieser Voraussetzung. Bei einem Widerruf der Zulassung durch das Kraftfahrt-Bundesamt und einem Erlöschen der Betriebserlaubnis drohe jedem Halter dieses Typs die Stilllegung seines Fahrzeugs. Die Fahrzeuge dieses Typs seien bei Bekanntwerden des Überschreitens der gesetzlich vorgegebenen Grenze für Stickoxidemissionen zudem von einem massiven Wertverlust bedroht.

Strittig blieb die angesetzte Gesamtlaufleistung

Das Landgericht hatte für die Vorteilsanrechnung eine Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometern angesetzt. Der Kläger verlangte aber die Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern. Daher legten die Klägeranwälte der Kanzlei VON RUEDEN Berufung gegen das Urteil des LG Stuttgart ein. Es ging immerhin um eine Differenz von über 3.000 Euro.

Die Daimler AG ist gegen das Urteil nicht selbst in Berufung gegangen, sondern hat eine Anschlussberufung eingelegt. Ziel war es, das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Klage vollständig abweisen zu lassen. Doch die Besonderheit einer Anschlussberufung liegt darin, dass sie wirkungslos wird, wenn die „Hauptberufung“ abgewiesen wird.

Berufung und Anschlussberufung abgelehnt: Sieg für den Kläger

Indem das OLG Stuttgart weder den Berufungsanträgen der Klägerseite noch den Anträgen der Daimler AG aus der Anschlussberufung folgte, wurde das Urteil des LG Stuttgart vollumfänglich bestätigt. Der Kläger bekam die Möglichkeit, seine Berufung zurückzunehmen. Doch er hat sich aus Kostengründen gegen die Rücknahme der Berufung entschieden, weil er andernfalls einen deutlich höheren Kostenanteil zu tragen gehabt hätte. Jetzt hat der Kläger nämlich nur 8 Prozent des Verfahrens zu tragen, während Daimler 92 Prozent übernehmen muss. Der Beschluss des OLG Stuttgart zeigt: Auch ein Zurückweisungsbeschluss nach § 522 ZPO kann sich wie ein Sieg anfühlen.

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