Verjährung der Klagen gegen VW: Gerichte entscheiden unterschiedlich

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Wie berichtet, hat das Oberlandesgericht München kürzlich darauf hingewiesen, dass Klagen im Rahmen des VW-Abgasskandals, die erst im Jahr 2019 eingereicht wurden, bereits verjährt sein könnten. Der Senat regte an, die Berufung gegen ein Urteil der Vorinstanz zurückzunehmen. Doch Verbraucherschützer und andere Gerichte sehen das anders: „Die Auffassung des Oberlandesgerichts München stellt eine Ausnahme dar“, so Verbraucheranwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei VON RUEDEN.

Konkrete Kenntnis der Diesel-Eigentümer ist entscheidend

Von Rüden weist darauf hin, dass die Richter der Oberlandesgerichte zum Thema Verjährung unterschiedlich entscheiden: „In einem ähnlich gelagerten Verfahren vor dem Oberlandesgericht Oldenburg hatten die dortigen Richter vergangene Woche klargestellt, dass es für den Beginn der Verjährung nicht auf die Veröffentlichung einer Ad-Hoc-Mitteilung oder die Berichterstattung ankäme, sondern auf die konkrete Kenntnis des Eigentümers.“

Das Oberlandesgericht Oldenburg weist in einem Hinweisbeschluss vom 17. Dezember 2019 darauf hin, dass es die Ansprüche aus einer im Jahre 2019 erhobenen Klage nicht als verjährt ansieht.

Danach gehöre zum Verjährungsbeginn auch die Kenntnis von allen „anspruchsbegründenden Tatsachen, auf deren Grundlage der Anspruchsinhaber eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage erheben kann“. Andererseits sei eine Klageerhebung bei noch „weitgehend ungeklärtem Sachverhalt“ nicht zumutbar.

Zwar habe Volkswagen in den Pressemitteilungen und der Ad-hoc-Mitteilung die Mangelhaftigkeit der betroffenen Motoren „vage du verklausuliert“ eingeräumt. Volkswagen habe jedoch bestritten, dass der Vorstand bzw. der für § 826 BGB maßgebliche Personenkreis davon gewusst haben.

Erst im Laufe des Jahres 2016 sei durch Nachforschungen von Behörden, Recherchen durch Medien und Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und nicht zuletzt durch Klägeranwälte und Verbraucherschützer das ganze Ausmaß des VW-Abgasskandals bekannt geworden. Damit lagen im Jahr 2015 noch nicht die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch nicht vor.

Klagen möglichst noch in diesem Jahr einreichen

„Die Sach- und Rechtslage nicht so klar, wie es Volkswagen immer darzustellen versucht“, sagte Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Verbraucherschutzkanzlei VON RUEDEN am Donnerstagmorgen. „Der Abgasskandal wird Volkswagen noch einige Jahre beschäftigen.“ Allerdings rät von Rüden auch dazu, Klagen noch in diesem Jahr einzureichen, um wirklich auf der sicheren Seite zu stehen.

„Die meisten Gerichte gehen davon aus, dass der Eigentümer des Fahrzeugs erst von der Betroffenheit seines Fahrzeugs wusste, als ein Schreiben des Herstellers oder des Kraftfahrt-Bundesamts ihn dazu aufforderte, ein Software-Update aufzuspielen. Von einem durchschnittlichen Autofahrer kann nicht verlangt werden, dass sich dieser eigenständig darüber informiert, welcher Motor in seinem Fahrzeug verbaut ist“, so von Rüden weiter.

VW hat Kunden zunächst mit Software-Update beschwichtigt

Darüber hinaus gibt der Anwalt Folgendes zu bedenken: „Die ersten Stellungnahmen im Jahr 2015 waren eher beschönigend und beschwichtigend. So hieß es von Volkswagen zunächst, die Motoren der Gruppe EA 189 hätten sich als „problematisch“ erwiesen. Etwaige Fehler könnten ohne Nachteile durch ein kostenloses Softwareupdate beseitigt werden, hieß es damals von Volkswagen.“ Laut von Rüden hätte also ein durchschnittlicher Volkswagenfahrer vor diesem Hintergrund gar keinen Bedarf gesehen, etwaige Ansprüche geltend zu machen.

Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Oldenburg verließ die Volkswagen-Anwältin nach dem Hinweis des Gerichts den Verhandlungssaal für einige Minuten und erklärte nach ihrer Rückkehr, dass die Volkswagen AG die Einrede der Verjährung nicht mehr aufrechterhalte. Die Auffassung des OLG München ist demnach nicht die einzige OLG-Auffassung. Die Gerichte entscheiden in dieser Frage unterschiedlich. Es bleibt also die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im nächsten Jahr abzuwarten.