Widerrufsjoker beschert Kunden der BMW-Bank die Erstattung des vollen Fahrzeugpreises zuzüglich Zinsen

Veröffentlicht am in Bank- und Kapitalmarktrecht

Fahrzeughalter, die ihr Fahrzeug mit einem Kredit finanziert haben und gleichzeitig vom Abgasskandal betroffen sind, wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg erfreuen. Dies hatte am 30.07.2019 entschieden, dass die BMW Bank zur Rücknahme eines kreditfinanzierten Dieselfahrzeugs verpflichtet ist und im Gegenzug den vollständigen Kaufpreis zuzüglich Zinsen zu erstatten hat.

Warum ist dieses Urteil so besonders?

In vergleichbaren Fällen entschieden die meisten Gerichte bisher, dass sich der Kläger für die Nutzung des kreditfinanzierten Fahrzeugs eine Nutzungsentschädigung auf den Kaufpreis anrechnen lassen muss, einen sogenannten Gebrauchsvorteil für die bereits mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer. Klägern, die ihr Fahrzeug also bereits viel gefahren haben, wird der Erstattungsanspruch auf diese Weise stark gekürzt. Das LG Ravensburg ging in seiner Entscheidung einen anderen Weg und sprach dem Kläger den gesamten darlehensfinanzierten Kaufpreis des Fahrzeugs zu, einschließlich Zinsen.

Widerruf auch nach Ablauf des Darlehensvertrags

Eine weitere Besonderheit bietet das Urteil in Bezug auf den Zeitpunkt des Widerrufs. In Fällen, in denen der Darlehensvertrag seit mehr als einem Jahr abbezahlt ist, gehen die meisten Gerichte von der Verwirkung des Widerrufsrechts aus, da sie ein schutzwürdiges Vertrauen der Banken annehmen, dass der Vertrag nicht mehr widerrufen werde. Das LG Ravensburg entschied auch an dieser Stelle anders. So habe die Widerrufsfrist erst gar nicht zu laufen begonnen, da die Widerrufsbelehrung in dem Darlehensvertrag fehlerhaft gewesen sei.

Auch sah das LG Ravensburg Voraussetzungen für den Einwand der Verwirkung nicht als gegeben an, da es hier zumindest an dem sogenannten Umstandsmoment fehlte. Die hatte keinen schutzwürdigen Grund zu der Annahme, dass die Klägerin nicht widerruft. Denn die Klägerin hatte neben der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten keine zusätzliche Erklärung abgegeben, die ein Vertrauen der beklagten Bank begründet hätten, dass die Klägerin den Vertrag nicht widerruft.

Gegen eine Schutzwürdigkeit der beklagten Bank führte das Gericht hier ebenfalls an, dass diese die Klägerin zum einen unrichtig über die Rechtsfolgen des Widerrufs belehrt hatte und zum anderen in ihren ABG’s unzulässige und unangemessene Regelungen hinsichtlich Aufrechnungsmöglichkeiten und Zurückbehaltunsgrechte der Darlehensnehmer getroffen hatte. Für einen Rechtsmissbrauch seitens der Klägerin sah das Gericht hier keine Anhaltspunkte, da die Klägerin lediglich von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe. Die Motive des Widerrufs seien nicht maßgeblich. In der Konsequenz kann ein Widerruf des Darlehensvertrags somit auch noch nach vollständigem Abbezahlen des Darlehensbetrags erfolgen.

Welche Auswirkungen hat das Urteil?

Fahrzeughalter, die sich in Folge des Abgasskandals von ihrem Fahrzeug wieder trennen möchten – ohne Wertverlust einbüßen zu müssen – werden durch dieses Urteil gestärkt. So kommt es in diesen Fällen nicht mehr darauf an, eine Softwaremanipulation im Fahrzeug nachweisen zu müssen. Vielmehr genügt der Nachweis über Formfehler im Darlehensvertrag, um sich von dem alten Fahrzeug trennen zu können. Insbesondere ist dieses Vorgehen nicht auf Dieselfahrzeuge begrenzt, sondern kann auch bei darlehensfinanzierten Benzinern gewählt werden.

Da sich die Formfehler auch in den Widerrufsbelehrungen der Darlehensverträgen anderer Autobanken wiederfinden lassen, ist ein solches Vorgehen nicht auf von der BMW-Bank finanzierten Fahrzeuge beschränkt, sondern kann beispielsweise ebenfalls bei finanzierten Fahrzeugen der Mercedes-Benz Bank, der VW Bank, der Audi Bank, oder Santander durchgeführt werden.