Ex-Audi-Chef Stadler muss vor Gericht

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Manager und Ingenieure des VW-Konzerns müssen sich im Herbst in Deutschland vor Gericht verantworten – darunter auch der frühere Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Betrug im Dieselskandal vor und das Landgericht München hat die Anklage am Montag zugelassen. Es handelt sich um den ersten Strafprozess in Deutschland im Rahmen der Abgasaffäre. Das Verfahren soll im Herbst beginnen und dürfte dauern: Die große Wirtschaftskammer des Landgerichts hat dafür 176 Verhandlungstermine angesetzt – bis Ende 2022.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Audi-Chef und drei weiteren Angeklagten „Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung“ vor. Stadler habe spätestens Ende September 2015 von den Abgas-Manipulationen bei den Dieselmotoren von Audi gewusst, aber den Verkauf der Autos nicht verhindert.

Auch Wolfgang Hatz und zwei Techniker angeklagt

Neben Stadler ist auch Wolfgang Hatz angeklagt, der bis September 2015 Forschungs- und Entwicklungsvorstand bei Porsche und Leiter der Aggregate-Entwicklung des Volkswagen-Konzern war. Zwei Audi-Techniker, die Stadler und Hatz in Vernehmungen der Staatsanwaltschaft München II stark belastet hatten, müssen sich ebenfalls vor Gericht verantworten. Sie sollen jetzt helfen, den beiden Ex-Managern den Betrug nachzuweisen und dafür einen Bonus bekommen.

Die drei mit angeklagten Ingenieure werden beschuldigt, eine illegale Abschaltfunktion für Audi Dieselmotoren entwickelt zu haben. Die manipulierten Motoren seien dann in 250.000 Audis, 71.000 VW- und 112.000 Porsche-Fahrzeuge eingebaut worden. Der Abgasskandal hat Audi seit 2015 bereits über drei Milliarden Euro gekostet.

Vom 30. September an müssen sich die vier Angeklagten vor dem Landgericht München II wegen Betrugsverdachts verantworten. Es geht um die Frage, wie es möglich war, dass Ingenieure des VW-Konzerns die Abgasreinigung in Diesel-Fahrzeugen jahrelang ungehindert manipulierten konnten. Hat die Konzernspitze von dem Skandal wirklich nichts gewusst? Stadler saß jedenfalls 2018 wegen Behinderung der Ermittlungen bereits in Untersuchungshaft. Stadler und Hatz weisen aber bislang alle Vorwürfe zurück.

Kein Verfahren gegen Martin Winterkorn?

Und Martin Winterkorn? Als prominenteste Figur in der Abgasaffäre hat er durch die US-Behörden unmittelbar nach der Enthüllung des Dieselskandals im September 2015 seinen Job verloren. Beim Landgericht Braunschweig liegt gegen Winterkorn schon seit April 2019 eine Betrugsanklage vor – die Anklage gegen Stadler erfolgte erst drei Monate später. Doch im Landgericht Braunschweig bewegt sich nicht viel, denn die Staatsanwaltschaft soll noch nachbessern. Ob es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren gegen Winterkorn kommt, ist unklar.

In München soll hingegen schon bald die nächste Anklage gegen ehemalige führende Audi-Manager folgen: gegen die ehemaligen Entwicklungsvorstände Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch und zwei weitere Audi-Mitarbeiter. Auch Knirsch und Hackenberg werden von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, Kunden mit Abgasmanipulationen betrogen zu haben. Auch sie weisen alle Vorwürfe zurück.

„Nur“ 27,5 Millionen Euro Schaden durch Stadler

Die Ermittler gehen davon aus, dass Stadler von den Manipulationen in den USA nichts gewusst hat. Allerdings habe er nach deren Bekanntwerden im September 2015 nichts unternommen. In Europa seien dann noch 120.000 manipulierte Diesel-Fahrzeuge verkauft worden. Den Schaden für Audi durch Nachrüstungskosten beziffern die Ermittler in ihrer Anklageschrift für Audi auf 27,5 Millionen Euro – weit weniger als bei den anderen drei Angeklagten, aber genug für eine Gefängnisstrafe. Ob Stadler „nur“ überfordert war oder bewusst nicht eingeschritten ist, um in Europa weiter kassieren zu können, muss das Gericht klären. Außerdem wird es um die Frage gehen, ob die Manipulationen in Europa den Tatbestand des Betrugs erfüllen.

Update 18.6.2020: VW-Manager in Kroatien verhaftet

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wurde ein früherer VW-Manager in Kroatien festgenommen und kam wegen einer möglichen Beteiligung am Abgasskandal in Haft. Grundlage war laut Handelsblatt ein von amerikanischen Strafermittlern beantragter Haftbefehl. Die US-Ermittler sollen den ehemaligen VW-Manager für den Betrug bei der Konzerntochter Audi mitverantwortlich machen.

Dem 59-Jährigen droht jetzt die Auslieferung in die USA, wo schon zwei frühere VW-Mitarbeiter zu Haft- und Geldstrafen verurteilt wurden. Gegen weitere mutmaßlich Verantwortliche, unter ihnen auch Ex-Konzernchef Martin Winterkorn, liegen Strafanzeigen und Haftbefehle der US-Justizbehörden vor.

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