Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urt. v. I-13 U 149/18, Urt. v. 10.09.2019) hat in zweiter Instanz der Klage einer Beetle-Fahrerin stattgegeben. Dies geht aus einer Entscheidung hervor, die die Berliner Kanzlei VON RUEDEN für die Klägerin erstritten hat. Die Klage der Beetle-Besitzerin wurde noch im vergangenen Sommer vom Landgericht Bochum zurückgewiesen.
In der Entscheidung war umstritten, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Kaufs Kenntnis von dem Abgasskandal hatte und daher keinen Anspruch auf Schadenersatz gehabt hätte. Am 22. September 2015 veröffentlichte Volkswagen eine Ad-hoc-Mitteilung nach dem Wertpapierhandelsgesetz und räumte darin Probleme bei Abgaswerten mit dem Motor EA 189 ein. Erst im November 2016 kaufte die Klägerin den Wagen bei einem Bochumer Autohaus. Volkswagen argumentierte, der Klägerin könne schon kein Schadenersatzanspruch zustehen, weil sie das Fahrzeug nach der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung gekauft hatte und damit Kenntnis von dem Abgasskandal hatte.
Autokauf nach Bekanntgabe der Manipulationen
Die Klägerin hatte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargestellt, wie es zu dem Kauf des Fahrzeuges gekommen war und auch deutlich gemacht, dass sie besonders Wert auf einen sparsamen Dieselmotor gelegt hatte. Der Beetle habe ihr deswegen so gut gefallen, weil sie schon früher einmal einen gefahren hatte. Zwar sei ihr grundsätzlich etwas vom Abgasskandal bekannt gewesen, sie habe jedoch nicht positiv gewusst, dass genau dieses Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen sei.
Ad-hoc-Mitteilung verschafft keine klare Vorstellung
Ohnehin sei die Ad-hoc-Mitteilung Volkswagen nicht dazu geeignet gewesen, eine konkrete Vorstellung über betroffene Fahrzeuge herzustellen, führt das Gericht in seiner Entscheidung aus. In der Mitteilung sei nur allgemein von Motoren die Rede. „Dem Kunden ist es mithin kaum möglich, aufgrund der Informationen in der Mitteilung Rückschlüsse auf ein konkretes Fahrzeug zu ziehen.“ Daneben würde sich die Ad-hoc-Mitteilung ohnehin nur an Anleger und die Finanzmärkte richten, nicht aber an Verbraucher.
Auch ändere sich nach Auffassung des Gerichts auch nichts daran, weil Volkswagen nach der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung ein Portal zur Verfügung gestellt hat, auf dem Betroffene anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer prüfen konnten, ob in ihrem Fahrzeug der EA 189 verbaut ist. „Diese Informationsmöglichkeit setzt zunächst voraus, dass die Kunden der Beklagten überhaupt Kenntnis von der Möglichkeit einer solchen Internetrecherche hatten“, heißt es in dem Urteil.
OLG Hamm stellt sich gegen andere Oberlandesgerichte
Das von Volkswagen angebotene Softwareupdate würde an dem eigetretenen Schaden nichts ändern. Denn es würde in rechtlicher Hinsicht nur ein Angebot darstellen, weiteren Schaden zu verhindern. Selbst wenn die Klägerin vor dem Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von dem Inhalt der Mitteilung gehabt hätte, hätte sie darauf vertrauen dürfen, dass ein Autohaus sie darauf hinweist, dass das Fahrzeug von dem Abgasskandal betroffen ist und mit einer Stilllegung des Fahrzeuges zu rechnen ist, führt der Senat aus. Das Gericht stellt sich mit seiner Auffassung gegen andere oberlandesgerichtliche Entscheidungen. Zwischen den Oberlandesgerichten ist umstritten, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Sittenwidrigkeit abzustellen ist. Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, maßgeblich sei der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs als Tathandlung.
Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei VON RUEDEN kommentierte die Entscheidung am Montagabend:
„Mit der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung hat die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nicht angefangen zu laufen. Danach verjähren die Ansprüche gegen Volkswagen frühestens am 31. Dezember 2019.“ Volkswagen kann gegen die Entscheidung Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.