Corona-Test verweigert: Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung nicht rechtens

Veröffentlicht am in Arbeitsrecht

Selbst bei rechtmäßiger Anordnung eines Corona-Schnelltests ist eine Kündigung von Testverweigerern ohne Abmahnung nicht rechtens. Das entschied das Arbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 24. November 2021 (Az. 27 Ca 20/21). Nach Ansicht des Gerichts muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall zunächst eine Abmahnung des Arbeitnehmers als „milderes Mittel“ aussprechen. 

In dem Fall vor dem Arbeitsgericht Hamburg ging es um die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers. Ein Fahrer, der bei einem Sammeltaxi-Unternehmen beschäftigt war, befand sich wegen der Corona-Pandemie bis Ende Mai in Kurzarbeit Null. Anschließend sollte er seine Arbeit wieder aufnehmen. Der Fahrdienst befördert Fahrgäste mit Sammeltaxis im Hamburger Stadtgebiet und setzt dabei für maximal sechs Personen geeignete Kleinbusse ein.

Fahrer verweigerte betrieblichen Corona-Test

Das Unternehmen machte seinen Fahrern zur Auflage, sich zweimal pro Woche mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Corona-Schnelltest zu Hause zu testen. Am ersten Arbeitstag nach der Corona-Pause konnte der Test allerdings nicht zu Hause durchgeführt werden und musste daher vor Ort im Betrieb stattfinden. Diese Anweisungen waren in einem „Fahrer-Handbuch“ enthalten, das der Fahrdienst seinen Fahrern zur Verfügung stellte.

Der seit knapp zwei Jahren beim Fahrdienst beschäftigte Fahrer weigerte sich am 1. Juni 2021 und an den beiden Folgetagen, im Betrieb einen Schnelltest durchzuführen, woraufhin ihn der Arbeitgeber für den jeweils einzelnen Arbeitstag nach Hause schickte. Vertreter des Arbeitgebers wiesen den Fahrer darauf hin, dass er zur Durchführung des Tests rechtlich verpflichtet sei. Doch der Fahrer weigerte sich weiterhin, den Test durchzuführen. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juni 2021 ordentlich zum 15. Juli 2021 und stellte den Fahrer von der Arbeit frei. Der Fahrer erhob Kündigungsschutzklage.

Arbeitsgericht Hamburg erklärt Kündigung für unwirksam

Das Arbeitsgericht Hamburg stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist und verurteilte den Fahrdienst dazu, den Fahrer vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Der Fahrer sei verpflichtet gewesen, den streitigen Corona-Test durchzuführen. Aufgrund seines Weisungsrechts gemäß § 106 Gewerbeordnung sei der Arbeitgeber berechtigt, seinen Fahrern einen solchen Test abzuverlangen. Die Weigerung des Fahrers sei rechtswidrig. Der Arbeitgeber habe sehr schwerwiegende rechtliche Interessen, die für die Durchführung von Tests sprachen – nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit anderer Mitarbeiter und der Fahrgäste. Der Fahrer habe demzufolge einen „erheblichen und beharrlichen“ Pflichtverstoß begangen.

Doch der Fahrdienst hätte darauf nicht gleich mit einer Kündigung reagieren dürfen, sondern hätte den Fahrer zunächst abmahnen müssen. Dem Kläger sei nicht unmissverständlich gesagt worden, dass seine Weigerungshaltung eine Kündigung zur Folge haben könnte. Der Arbeitgeber habe nicht ausschließen können, dass der Mitarbeiter für den Fall der Androhung von Konsequenzen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses seine Verweigerungshaltung überdacht und die bereitgestellten Corona-Schnelltests künftig durchgeführt hätte. Dem Arbeitnehmer hielt das Gericht zugute, dass er bereit war, einen anderen als den vom Arbeitgeber angebotenen Schnelltest durchzuführen.

Kündigungsschutz: Mündliche Abmahnungen oft nicht ausreichend

Arbeitgeber dürfen demnach auf die Testverweigerung von Arbeitnehmern nicht ohne vorherige Abmahnung mit einer verhaltensbedingten Kündigung reagieren. Der Fahrdienst konnte die Erteilung einer vorherigen Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht beweisen. Mündliche Abmahnungen halten oft vor Gericht nicht stand. Für eine Abmahnung ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Wenn es keine schriftliche Abmahnung gab, muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess beweisen können, wann, durch wen und mit welchen Formulierungen dem gekündigten Arbeitnehmer eine mündliche Abmahnung erteilt wurde. An diesem Nachweis scheitern Arbeitgeber in der Regel.

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