Arbeitsgericht Braunschweig: Ex-Motorenchef zu Unrecht von VW gekündigt

Veröffentlicht am in Compliance

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat die Kündigung eines ehemaligen VW-Motorenchefs im Zuge der Dieselaffäre durch die Volkswagen AG für unzulässig erklärt. Der Ex-Manager hatte sich gegen den Rauswurf gewehrt – und Recht bekommen. Volkswagen hat damit nicht zum ersten Mal in einem Kündigungsstreit im Rahmen der Dieselaffäre eine Niederlage erlitten. Bereits vor zwei Jahren war ein Ex-Manager erfolgreich gegen seine Kündigung vorgegangen.

Im aktuellen Fall vor dem AG Braunschweig klagte der frühere VW-Motorenchef erfolgreich gegen seine Kündigung. Die Richter gaben seiner Klage „ganz überwiegend“ statt. Sein Verhalten sei „nach der Würdigung aller Umstände und dem Ausgang der Beweisaufnahme nicht als Pflichtverletzung“ zu sehen, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Gericht wertet Kündigung im Zuge des Dieselskandals als unwirksam

In dem Streit ging es darum, ob der Manager bei einem Treffen mit leitenden Technikern im November 2006 implizit die Weiterentwicklung einer manipulativen Softwarefunktion genehmigt hatte. Die Software hat die volle Reinigung von Dieselabgasen nur in Tests aktiviert. Im Straßenbetrieb stießen die VW-Dieselfahrzeuge dagegen deutlich überhöhte Mengen an Stickoxiden (NOx) aus. Als das später nach Rückrufen und Analysen von Wissenschaftlern und US-Behörden aufflog, begann mit dem Dieselskandal einer der größten Industrieskandale der deutschen Geschichte.

VW hat den früheren Bereichsleiter, der sich im Vorruhestand befindet, entlassen und er wehrte sich gegen die Kündigung – mit Erfolg: Das Gericht geht von der „Unwirksamkeit der zwischen den Parteien im Streit stehenden Kündigungen“ aus. Vorwürfe, er habe die Nutzung der Abgassoftware nicht unterbunden, ließen sich nach näherer Prüfung nicht als Verletzung von Pflichten werten.

VW-Abgasskandal: Hat der Konzern das Täuschungsprogramm gebilligt?

In der letzten Verhandlung, die Ende Januar stattfand, hatte ein wichtiger Zeuge ausgesagt, der auch einer der Angeklagten im laufenden ersten Betrugsprozess zur Dieselaffäre am Braunschweiger Landgericht ist. Der Zeuge hatte das Ergebnis des Treffens im Spätherbst 2006 als Billigung aufgefasst, das Täuschungsprogramm weiterzuführen. Er habe das allerdings als „anrüchig“ empfunden, so der frühere Chef der Antriebselektronik von Volkswagen.

Der VW-Konzern hatte sich nach Einsicht in Akten der Staatsanwaltschaft im August 2018 von mehreren hochrangigen Mitarbeitern getrennt. Der Kläger, der vor das Arbeitsgericht gezogen ist, gehört nicht zu den vier Beschuldigten im ersten großen VW-Betrugsprozess. Er zählt aber offenbar zu einer erweiterten Gruppe, gegen die von den Ermittlern in Braunschweig ebenfalls Anklage erhoben wurde. Die Zulassung der Klage gegen die anderen Beschuldigten steht noch aus.

VW hat zuvor bereits Kündigungsverfahren im Dieselskandal verloren

Die Besprechung Ende 2006 wurde auch schon im aktuellen Strafverfahren thematisiert. Der mitangeklagte Elektronik-Entwickler hatte erklärt, er habe sich zum Start der „Diesel-Offensive“ in den USA bei seinem Vorgesetzten absichern wollen, ob man die Testerkennung wirklich verwenden solle. Allen Anwesenden sei klar gewesen, dass der spätere Skandal-Motor EA189 US-Grenzwerte ohne die heikle Softwarefunktion („defeat device“) keinesfalls werde einhalten können. Der Motorenchef, der jetzt vor dem Arbeitsgericht gewonnen hat, riet ihnen daraufhin laut dem Angeklagten: „Lasst euch nicht erwischen!“

Volkswagen hat bereits 2020 in einem Kündigungsstreit zur Dieselaffäre eine Niederlage erlitten. Damals gab das Arbeitsgericht der Klage eines Ex-Leiters der Dieselmotoren-Entwicklung ebenfalls statt. VW soll auch in dem früheren Fall das Arbeitsverhältnis zu Unrecht gekündigt haben. Der Betriebsrat sei fehlerhaft informiert worden – und ein Zeuge machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Zwei Zeugen, die VW benannt hatte, lehnte das Gericht ab, weil sie an einer umstrittenen Sitzung im Jahr 2011 nicht teilgenommen hatten. VW beharrte darauf, dass der Manager erhebliche Pflichtverletzungen begangen habe.

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