Anleger fordern Millionen Euro Schadensersatz von Daimler

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Daimler wird beschuldigt, illegale Abschalteinrichtungen in seine Dieselfahrzeuge eingebaut zu haben. Weil die Aktie mit Bekanntwerden des Dieselskandals abstürzte, fordern Anleger knapp 900 Millionen Euro Schadensersatz von Daimler. Die Summe könnte aber noch deutlich höher ausfallen. Die Tübinger Kanzlei Tilp teilte am Dienstag mit, sie sei von 219 institutionellen Investoren mit einer Klage gegen den Autobauer beauftragt worden. Die Kanzlei hat den Autohersteller am 30. Dezember vor dem Landgericht Stuttgart auf Schadenersatz in Höhe von 896 Millionen Euro verklagt.

„Wir sind mit weiteren institutionellen Klägern im Gespräch, bei denen es um Schäden in dreistelliger Millionenhöhe geht“, sagte Rechtsanwalt Andreas Tilp der WirtschaftsWoche. „Es werden im laufenden Jahr weitere Klagen hinzukommen. Die Gesamtschadenssumme unserer Klagen dürfte 2020 auf 1,8 Milliarden Euro steigen.“ Zu den klagenden Investoren gehören unter anderem Banken, Versicherungen und Pensionsfonds aus Deutschland. Aber auch andere EU-Staaten, Nordamerika, Asien und Australien wollen gegen Daimler vorgehen.

Kapitalmarktrechtliche Pflichten verletzt

Der Vorwurf an Daimler ist laut Tilp, dass Daimler kapitalmarktrechtliche Pflichten verletzt hat. Der Autobauer habe dem Kapitalmarkt die Nutzung von illegalen Abschalteinrichtungen und die damit verbundenen Risiken und Kosten verschwiegen. So wurden die Investoren über die wahren Umstände getäuscht. Vom 10. Juli 2012 bis zum 20. Juni 2018 sei der Kurs der Daimler-Aktie von über 90 Euro auf unter 60 Euro abgestürzt. Gegenstand der Klagen sind jetzt die dadurch erlittenen Schäden der Anleger.

Aussichtsreiche Anlegerklagen

Aufgrund der Täuschung hätten die Kläger hätten die Daimler-Aktien zu teuer erworben, so Rechtsanwalt Tilp. „Dafür haftet Daimler nach unserer Überzeugung auf Schadenersatz.“ Sein Kollege Maximillian Weiss schätzt die Klage als aussichtsreich ein und geht davon aus, dass weitere Klagen auf Daimler zukommen: „Die Ansprüche gegen Daimler halten wir für sehr gut gelagert. Weitere geschädigte institutionelle Investoren mit erheblichen Aktienverlusten haben mitgeteilt, mit uns in 2020 ebenfalls klagen zu wollen.“

Der Berliner Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei VON RUEDEN, der bundesweit einige Hundert Verbraucher gegen den Autokonzern vertritt, sieht ebenfalls gute Chancen für die Klage der Anleger. „Der Daimler-Abgasskandal wird noch im Jahr 2020 den Europäischen Gerichtshof beschäftigen.“ Immer mehr Landgerichte hätten die Stuttgarter Autobauer in den letzten Monaten dazu verurteilt, manipulierte Dieselfahrzeuge zurückzunehmen und den Kaufpreis zurückzuzahlen, begründet von Rüden seine Einschätzung. Fahren auch Sie einen betroffenen Mercedes Diesel? Dann zögern Sie nicht Ihre Rechte einzufordern. In einer kostenlosen Erstberatung prüfen wir für Sie gerne ob Ihr Modell betroffen.

Daimler hält die Klagen für unbegründet

Von Daimler hieß es dazu: „Wir halten die uns bekannten Klagen für unbegründet und werden uns gegen die Vorwürfe mit allen juristischen Mitteln verteidigen – gegebenenfalls auch in einem etwaigen Musterverfahren.“ Ein Musterverfahren könnte wie im Fall VW Bewegung in den Streit zwischen dem Daimler und seinen Aktionären bringen. Bei einem Musterverfahren geht es darum, zentrale Rechtsfragen aller Fälle schon vorab von der nächsthöheren Instanz entscheiden zu lassen.

VW-Investoren fordern für Kursverluste nach Bekanntwerden des Dieselskandals nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) Schadenersatz in Milliardenhöhe. Dem Management des Volkswagen-Konzerns und der Porsche-Dachgesellschaft PSE wird vorgeworfen, Anleger zu spät über die finanziellen Risiken der im September 2015 bekannt gewordenen Abgasmanipulationen informiert zu haben. Dieser milliardenschwere Prozess verläuft bislang noch schleppend.

Manipulationen zunächst bestritten

Nach Bekanntwerden des Dieselskandals bei VW hatte Daimler zunächst bestritten, in solche Betrügereien verwickelt zu sein. Den Vorwurf der Manipulation hatte der Autobauer in einer Pressemitteilung vom 25. September 2015 „auf das Schärfste“ zurückgewiesen. Auch der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte betont, Mercedes-Benz würde von sogenannten Defeat-Devices keinen Gebrauch machen.

Viele Gerichte, darunter das Landgericht Stuttgart, sahen das ganz anders: Daimler habe im Abgasskandal skrupellos getäuscht. Im Frühjahr 2018 wurden dann auch Daimler-Dieselfahrzeuge vom Kraftfahrt-Bundesamt zurückgerufen – mit der Begründung, Daimler habe illegale Abschalteinrichtungen eingebaut. Im Juni 2018 kündigte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen den amtlichen Rückruf von deutschlandweit 238.00 Daimler-Autos an. Davon waren europaweit 774.000 Fahrzeuge betroffen.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft Tilp hat im Juni 2018 die Einleitung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gegen Daimler beantragt. Das Landgericht Stuttgart hält den Antrag als zulässig und hat ihn schon öffentlich bekannt gemacht. Weitere Anlegerklagen dürften folgen.