EuGH-Generalanwalt legt Schlussantrag zu Thermofenster vor: Anspruch auf Schadensersatz besteht

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Der Generalanwalt Athanasios Rantos hat zum Thema Thermofenster im Abgasskandal dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) seinen Schlussantrag vorgelegt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Halter eines Dieselfahrzeugs mit einem Thermofenster einen Anspruch auf Entschädigung haben, da es sich hierbei um eine illegale Abschalteinrichtung handelt, die gegen EU-Recht verstößt.

Das Landgericht Ravensburg hatte den EuGH in Luxemburg gebeten, rechtliche Fragen zum Thema Thermofenster im Abgasskandal zu beantworten (Az. C 100/21). Auslöser war die Klage des Käufers eines gebrauchten Mercedes C 220 CDI gegen die Mercedes-Benz Group AG (ehemals Daimler AG). Der Motor des Fahrzeugs enthält ein Thermofenster, das die Abgasreinigung nur innerhalb eines sehr engen Temperaturahmens zulässt. Die meiste Zeit werden die Abgase nicht ausreichend gereinigt und daher nahezu ungefiltert in die Umwelt abgegeben.

EuGH-Generalanwalt sieht Schadensersatzanspruch bei Thermofenster

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat betroffenen Fahrzeughaltern bisher keinen Schadensersatz zugesprochen, da er bei der Verwendung eines Thermofensters keinen Vorsatz durch den Hersteller sehe (§826 BGB). Dem widerspricht jetzt der EuGH. Auch bei einfacher Fahrlässigkeit müsse der Fahrzeughersteller eine Entschädigung zahlen, da das Käufer davon ausgeht, ein Fahrzeug zu erhalten, dass die Anforderungen des Unionsrechts erfüllt (§ 823 BGB). Mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung versichert der Hersteller diese Rechtskonformität. Da das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung ist und der Fahrer damit ein Auto fährt, das eigentlich keine Zulassung hätte erhalten dürfen, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, so Generalanwalt Rantos in seinem Schlussantrag vom 2. Juni 2022.

Des Weiteren fragte das Landgericht Ravensburg den EuGH nach der Berechnung des Ersatzanspruches gegen den Fahrzeughersteller. Der Generalanwalt erklärt dazu, dass die EU-Mitgliedstaaten bei Verstößen selbstständig „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängen“ müssen, wie es in der Pressemitteilung des EuGH heißt. Regeln für die Berechnung des Schadensersatzes für den Fahrzeughalter müssen die Mitgliedstaaten ebenfalls selbst festlegen. Der Ersatz müsse aber nach dem „vom Unionsrecht vorgesehenen Effektivitätsgrundsatzes dem erlittenen Schaden angemessen sein“.

Urteil der EuGH-Richter zum Thermofenster steht noch aus

Sollten die Richter am EuGH der Argumentation des Generalanwalts folgen, muss der BGH seine Rechtsprechung ändern, da der Europäische Gerichthof hierarchisch über dem Bundesgerichtshof steht. In der Regel orientieren sich die EuGH-Richter tatsächlich an den Schlussanträgen und übernehmen die Position in ihrem Urteil. Die Richter in Luxemburg beraten sich nun und verkünden zu einem späteren Zeitpunkt ihre Entscheidung.

Auf diesem Urteil aufbauend kann dann das Landgericht Ravensburg auf nationaler Ebene ein Urteil fällen. Zudem hat das ausstehende EuGH-Urteil dann auch Strahlkraft auf alle weiteren Gerichtsverfahren, die ähnlich gelagert sind. Auch hier müssen die nationalen Gerichte sich an der Entscheidung aus Luxemburg orientieren.