Einige neuere Diesel-Motoren verfügen über so genannte Thermofenster, die dafür sorgen, dass die Abgasreinigung bei niedrigen oder hohen Außentemperaturen heruntergeregelt oder ganz abgestellt wird. Das ist zwar laut Herstellern legal – doch immer mehr solcher Fälle beschäftigen die Gerichte. Kritiker halten die Temperatur-Begrenzungen für nicht vereinbar mit dem EU-Recht.
Thermofenster in Daimler-Dieseln
Auch Daimler kämpft im Diesel-Skandal um seinen Ruf. Vom OLG Schleswig kommt jetzt ein positives Signal: Die Abschaltvorrichtung in Daimler-Dieseln sei keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Das OLG Schleswig hat dazu kürzlich entschieden, dass der Käufer eines Fahrzeugs vom Hersteller keinen Schadensersatz mit der Begründung verlangen kann, das Fahrzeug sei mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet, die die Abgasreinigung abhängig von der Umgebungstemperatur verändere – also mithilfe von Thermofenstern.
In diesem Fall ging es um einen gebrauchten Mercedes Pkw mit der Abgasnorm Euro 5, der mit einem Thermofenster ausgestattet ist. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass es sich um eine unzulässige Abgasabschalteinrichtung handelt und verlangte von Mercedes-Mutterkonzern Daimler die Zahlung von Schadensersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Das LG Itzehoe hatte der Klage zunächst stattgegeben, doch die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht war erfolgreich: Das OLG Schleswig hat die Klage jetzt abgewiesen und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Schädigungsvorsatz nicht nachweisbar
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fehle der erforderliche Schädigungsvorsatzder Beklagten (Daimler), deshalb habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz. Es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob es sich beim Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der EG-Verordnung 715/2007 handele. Zudem lasse sich ein Schädigungsvorsatz der Beklagten nicht feststellen.
Das Thermofenster unterscheide nicht zwischen Prüfstand und realem Betrieb, sondern richte sich nach der Außentemperatur. Damit sei es nicht auf eine „Überlistung“ der Prüfungssituation ausgelegt. Man könne Daimler deshalb nicht unterstellen, dass die Verantwortlichen der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Aufgrund der bloßen Existenz eines Thermofensters könne nicht auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision wurde eingelegt.
Mercedes nutzt andere Abschalteinrichtung als VW
Diese Entscheidung des OLG Schleswig fiel nur wenige Tage nach einem Urteil des OLG Stuttgart, das VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung einer Diesel-Kundin zur Zahlung von Schadensersatz verdonnerte. Wie kann es zu so unterschiedlichen Urteilen kommen?
VW hat im Motorentyp EA 189 eine Abschalteinrichtung verbaut, die dafür sorgt, dass auf dem Prüfstand andere Abgasrückführungsmodi aktiviert werden als auf der Straße. Das kann zu verfälschten Messergebnissen führen. Die Abschalteinrichtung im Daimler-Motor OM 651 ist dagegen nicht an den Betriebsmodus – Straße bzw. Prüfstand – gekoppelt, sondern an die Außentemperatur. Deshalb bleibt weiterhin umstritten, ob es sich beim Thermofenster um eine illegale Abschalteinrichtung handelt.
Zulässigkeit von Thermofenster weiterhin unklar
Das Thermofenster ist also trotz des aktuellen Urteils aus Schleswig-Holstein weiterhin ein spannendes Thema: Sollte die Illegalität dieser Vorrichtung festgestellt werden, würde sich die Zahl der Diesel-Fahrzeuge, die dann zurückgerufen werden müssten, noch einmal deutlich erhöhen – und damit auch die Schadensersatzansprüche der Daimler-Kunden.
Das OLG Schleswig hat nämlich ausdrücklich nicht über die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen Thermofensters entschieden. Ob es sich dabei um eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der EU-Verordnung über die Kfz-Typengenehmigungen handelt, bleibt in diesem Fall also offen. Aus Sicht der Richter lasse sich lediglich der Schädigungsvorsatz, den die sittenwidrige Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwingend voraussetzt, in diesem Fall nicht beweisen. Das Berufungsverfahren am BGH dürfte für Daimler-Kunden interessant werden.