VW und Verbraucherschützer führen Vergleichsgespräche

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Hunderttausende VW-Dieselkunden könnten Anspruch auf Schadenersatz wegen zu hoher Abgaswerte und einem damit verbundenen Wertverlust ihrer Fahrzeuge haben. Der Musterprozess um mögliche Entschädigungen zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) nimmt jetzt Fahrt auf: Die beiden Parteien haben überraschend Vergleichsgespräche angekündigt. Die Chancen der etwa 444.000 Kläger, ihre Ansprüche gegen VW am Oberlandesgericht Braunschweig durchzusetzen, dürften mit diesen Gesprächen deutlich steigen.

„Gemeinsames Ziel von vzbv und Volkswagen ist eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden“, hieß es in einer kurzen Mitteilung von VW. Die Gespräche seien in einem sehr frühen Stadium und ob es zu einem Vergleich komme, sei noch offen. „Rund 470.000 Anmeldungen gab es zu dem Verfahren. Allerdings wurden auch 77.000 Abmeldungen registriert, die nach wie vor nicht vollständig durch das zuständige Bundesamt für Justiz verarbeitet wurden“, so Volkswagen weiter.

Verbraucherschützer sehen positives Signal

Der Chef des vzbv, Klaus Müller, begrüßt die Gespräche. „Wir bewerten das Gesprächsangebot als positives Signal“, so Müller gegenüber der „Rheinischen Post“. „Auch wenn keineswegs sicher ist, dass am Ende ein Vergleich erreicht wird, freuen wir uns, dass mehr als vier Jahre nach Beginn des Dieselskandals nun neue Bewegung in die Sache kommt.“

In dem Musterverfahren vertritt der vzbv die Interessen zahlreicher Dieselfahrer. Sie sehen sich nach dem Auffliegen der Abgas-Manipulationen im Herbst 2015 mit zum Teil drastisch erhöhten Emissionen von Volkswagen getäuscht. In vielen Fällen fordern sie Schadenersatz wegen des gesunkenen Wiederverkaufswertes ihrer Fahrzeuge.

Der Automobilclub ADAC geht davon aus, dass die Verhandlungen das Verfahren deutlich beschleunigen: „Ein Prozess hätte sich über gut zwei Jahre hinziehen können, ein Vergleich kann aber noch in der ersten Jahreshälfte 2020 geschlossen werden“, so Markus Schäpe, Chefjurist des ADAC. VW müsse aber ein faires Angebot vorlegen und dürfe keine Symbolpolitik betreiben.

VW lehnte Vergleichsverhandlungen bislang ab

Ende September startete vor dem Braunschweiger Oberlandesgericht das bislang größte Gerichtsverfahren für Dieselkunden. Der vzbv vertritt in diesem Verfahren die Interessen Hunderttausender Autobesitzer. Experten gingen bislang mit einem langen Verfahren aus, das sich über viele Jahre hinziehen könnte. Im Musterverfahren sollen die relevanten Fragen rund um den Abgasskandal grundsätzlich geklärt werden.

Michael Neef, der Vorsitzende Richter am OLG, hatte bei den ersten Sitzungen zur Musterfeststellungsklage im September und November für Verhandlungen zwischen dem Autobauer und den Verbraucherschützern geworben. Doch VW lehnte das bislang mit Verweis auf mangelnde Vergleichbarkeit der Einzelfälle ab. Ein unvollständiges Klageregister sei offiziell „kaum vorstellbar“.

Die Hintergründe des Diesel-Skandals

Als größter Skandal der deutschen Automobilgeschichte kostete der Diesel-Skandal Volkswagen und andere Autokonzerne bereits Milliarden. Die betroffenen Dieselfahrer sehen sich aufgrund der Abgasmanipulationen mit teilweise drastisch erhöhten Emissionen von Volkswagen getäuscht. Wegen des gesunkenen Wiederverkaufswerts ihrer Fahrzeuge fordern viele betroffene Kunden Schadenersatz.

Nach Prüfungen von Behörden und Recherchen von Forschern in den USA hatte Volkswagen im September 2015 Manipulationen an den Abgaswerten von Dieselfahrzeugen eingeräumt. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt worden, dass im realen Betrieb auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide ausgestoßen wurden als in Tests.

Zahlreiche individuelle Prozesse gegen Autokonzerne

Neben dem Musterverfahren in Braunschweig laufen an anderen deutschen Gerichten zahlreiche weitere Prozesse gegen VW und andere Autokonzerne. Manche Richter sprachen den geprellten Kunden Entschädigungen oder eine komplette Erstattung des Kaufpreises ihres Autos zu. In vielen Fällen wurden Ansprüche der Verbraucher allerdings auch abgelehnt. Viele dieser Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig.

Während Volkswagen in den USA schon Milliarden für die Entschädigung von Kunden gezahlt hat, war der Konzern in Deutschland bisher nicht dazu bereit – mit Verweis auf eine völlig andere rechtliche Situation.

Vergleichsverhandlungen drehen sich nur um Modell EA189

In den Vergleichverfahren wird es zunächst nur um die eigentlichen Betrugsdiesel des Motortyps EA189 mit der Abgasnorm Euro 5 gehen. Der Abgas-Skandal hat sich aber durch zahlreiche weitere Rückrufe und Ermittlungen deutscher Staatsanwaltschaften bei VW und anderen Autobauern wie Daimler, Renault, Peugeot oder Opel längst weitere Kreise gezogen. Mittlerweile sind auch V6-Diesel und neuere Modelle mit frühen Euro 6-Normen betroffen. Inwieweit es sich bei diesen Modellen ebenfalls um Abgasbetrug handelt, also um eine bewusste Täuschung mit Manipulationssoftware, ist allerdings juristisch noch nicht geklärt.

Einem Vergleich im Dieselskandal nicht vorschnell zustimmen!

Viele der geprellten Kunden in Deutschland klagen einzeln oder haben sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen. Im Gegensatz zu Sammelklagen in den USA müssen Verbraucher hierzulande ihre konkreten Ansprüche im Erfolgsfall nach dem Musterurteil allerdings noch in eigenen Verfahren individuell durchsetzen.

Die Dieselskandal-Experten der Kanzlei VON RUEDEN warnen in jedem Fall davor, im Rahmen des Musterprozesses vorschnell einem Vergleich zuzustimmen. Ein Vergleich ist nur dann sinnvoll, wenn Sie als Kläger in der Musterfeststellungsklage ähnlich gute wirtschaftliche Vorteile erzielen können wie bei einer Einzelklage gegen Volkswagen.

Egal, ob Sie bereits als Kläger an der Musterfeststellungsklage teilnehmen oder ob Sie individuell klagen wollen – wir beraten Sie gern in einer kostenlosen Erstberatung. Unter der 030 / 200 590 770 stehen wir Ihnen auch telefonisch gerne mit allen Informationen zum Thema zur Seite.