Rechtswidrige Absprachen: BMW und VW müssen 875 Millionen Euro zahlen – Daimler profitiert von Kronzeugenregelung

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Für BMW und Volkswagen wird es im Dieselskandal noch einmal richtig teuer: Wegen rechtswidriger Absprachen zu AdBlue-Tanks in Dieselfahrzeugen hat die EU-Kommission gegen die beiden deutschen Autobauer Wettbewerbsstrafen in Millionenhöhe verhängt. AdBlue wird in einem Extra-Tank mitgeführt und in den Abgasstrom eingespritzt, um die Abgasreinigung zu verbessern. Statt die Tanks in ausreichender Größe einzubauen, haben VW, BMW und andere Hersteller die Abgasreinigung heruntergeregelt. Dadurch stieg der Stickoxidwert im Straßenbetrieb an und die gesetzlichen Grenzwerte wurden überschritten.

Die deutschen Autobauer BMW und Volkswagen müssen in einem EU-Kartellverfahren Geldbußen in Millionenhöhe zahlen. Wegen unzulässiger Absprachen zu Adblue-Tanks für eine bessere Abgasreinigung werden für BMW knapp 375 Millionen fällig und Volkswagen soll laut EU-Kommission gut 500 Millionen zahlen. „Alle Unternehmen haben ihre Kartellbeteiligung eingeräumt und einem Vergleich zugestimmt“, hieß es in einer Mitteilung der EU-Kommission.

Daimler trotz Kartell-Beteiligung straffrei

Mit diesen Summen wird das mögliche Strafmaß nicht voll ausgeschöpft. Die EU-Kommission hätte Zahlungen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes verhängen können. Die Daimler AG war ebenfalls an dem Kartell beteiligt, bleibt aber wegen einer Kronzeugenregelung straffrei. Daimler hatte die EU-Wettbewerbshüter über das Kartell informiert, deshalb wurde dem Konzern die Geldbuße in Höhe von rund 727 Millionen Euro vollständig erlassen – obwohl Daimler in den Fahrzeugen von Mercedes-Benz eine Software nutzt, die zu wenig AdBlue einspritzt.

Die Autobauer hatten über Jahre regelmäßig Fachtreffen abgehalten, um sich über die Entwicklung der sogenannten SCR-Technologie zu beraten, mit der sich schädliche Stickoxidemissionen von Dieselautos durch die Einspritzung des Harnstoffs AdBlue reduzieren lassen. Durch Hitze entsteht Ammoniak, der mit Stickoxiden reagiert, die dann in einem SCR-Katalysator in harmlosen Stickstoff und Wasserdampf umgewandelt werden.

AdBlue-Tankgrößen wurden abgesprochen

Bei ihren Treffen verständigten sich die Autohersteller zwischen 2009 und 2014 darauf, nicht um die Abgasreinigung zu konkurrieren, obwohl die dafür benötigte Technologie zur Verfügung stand. Daimler, BMW und VW sprachen die Größen der Adblue-Tanks ab und tauschten sensible Informationen dazu aus. Durch diese Absprachen haben sie nach Angaben der EU-Kommission den Wettbewerb um für Kunden relevante Produktmerkmale eingeschränkt.

Der Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen und anderen Herstellern war teilweise auf eine manipulativ heruntergedrehte AdBlue-Einspritz-Rate zurückzuführen. Eine zu hohe Dosierung hätte das Abgassystem der Autos schädigen können. Viele Autohersteller konnten die zulässigen Grenzwerte nicht anders einhalten oder haben unter Zeit- und Kostendruck auf den Einsatz bestimmter Einspritztechniken verzichtet.

EU geht entschieden gegen Kartellrechtsverstöße vor

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte, Daimler, BMW, Volkswagen, Audi und Porsche hätten über die Technologie verfügt, „mit der sich die schädlichen Emissionen über die Vorgaben der EU-Abgasnormen hinaus reduzieren ließen“. Doch sie hätten stattdessen „einen Wettbewerb darüber vermieden, das volle Potenzial dieser Technologie zu nutzen, um besser zu reinigen als vom Gesetz vorgesehen“. Wettbewerb und Innovation seien aber von entscheidender Bedeutung, damit Europa die ehrgeizigen Ziele des Green Deal erreichen könne, so Vestager.

„Dieser Beschluss zeigt, dass wir entschieden gegen alle Formen von Kartellrechtsverstößen vorgehen werden, die dieses Ziel gefährden.“ Der Beschluss sei ein Beispiel dafür, was passieren kann, „wenn eine eigentlich legitime technische Zusammenarbeit schiefgelaufen ist. Wir dulden es nicht, wenn Unternehmen Absprachen treffen, die gegen das EU-Kartellrecht verstoßen“, so die Wettbewerbskommissarin weiter. Der Fall sei ein Beispiel dafür, wie eine legitime Kooperation den falschen Weg eingeschlagen habe.

Autobauer kritisieren die Entscheidung

Brüssel habe mit dem Verfahren „kartellrechtliches Neuland“ betreten, beklagt sich BMW über das Strafmaß. Gegenstand der Untersuchung seien nicht Preis- oder Gebietsabsprachen gewesen – trotzdem habe die EU-Kommission bei der Berechnung des Bußgelds die Maßstäbe eines solchen „klassischen“ Kartells angelegt und die Neuartigkeit des Falles lediglich durch einen Abschlag berücksichtigt. Wegen der Vorwürfe der EU-Kommission hatte BMW im Jahr 2019 eine Rückstellung von 1,4 Milliarden Euro gebildet, davon im Mai 2021 aber rund eine Milliarde Euro wieder aufgelöst, weil die Kommission bestimmte Vorwürfe gegen BMW vollständig hatte fallen lassen.

Volkswagen hatte für eine mögliche Kartellstrafe keine Rückstellungen gebildet. VW will die Entscheidung sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen. Statt des Bußgelds wäre der Erlass klarer Richtlinien für die Autoindustrie zielführender gewesen, so der Konzern. Die bestehenden Leitlinien der Kommission zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit zwischen Autobauern stammten aus dem Jahre 2011 und würden den komplexen Herausforderungen nicht mehr gerecht, denen sich die Autoindustrie im Bereich der notwendigen technischen Zusammenarbeit ausgesetzt sehe, so ein VW-Sprecher.