DUH präsentiert brisantes Gutachten: Daimler hat acht Abschalteinrichtungen in E-Klasse verbaut

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat am 5. November 2021 ein brisantes Gutachten zum Daimler-Dieselskandal veröffentlicht: Demnach ist die Daimler AG noch tiefer in den Abgasskandal verstrickt als bislang bekannt. Im Auftrag einer US-amerikanischen Kanzlei hat der Kfz-Software-Experte Felix Domke acht bisher unbekannte Abschalteinrichtungen in einer Mercedes-Benz E-Klasse mit Euro 6 Diesel entdeckt. Nicht nur die DUH bewertet diese „defeat devices“ als eindeutig illegal.

Das Gutachten von Felix Domke erläutert detailliert die Wirkungsweise bisher unbekannter softwaregesteuerter Abschalteinrichtungen in Mercedes-Dieselfahrzeugen. Durch die Abschalteinrichtungen werde „die wirksame Abgasreinigung durch den verbauten SCR-Katalysator reduziert“, so die DUH. Im Ergebnis lägen die realen Stickoxid-Emissionen auf der Straße bis zu 500 Prozent über dem gesetzlich festgeschriebenen Grenzwert.

Mercedes E 350 BlueTEC: Effizienz der Abgasnachbehandlung im Fahrbetrieb reduziert

Gutachter Felix Domke fasst seine Untersuchungen wie folgt zusammen: „Das Ergebnis dieser Studie ist, dass eine Reihe illegaler Abschalteinrichtungen identifiziert wurden, die die Effizienz der Abgasnachbehandlung im normalen Fahrbetrieb herabsetzen.“ Von den acht Abschalteinrichtungen, die der Software-Experte im untersuchten Mercedes E 350 BlueTEC entdeckt und ausführlich dokumentiert hat, stehen sechs im Zusammenhang mit dem SCR-System. Drei dieser Funktionen hängen von einem „Alterungsfaktor“ ab, der die Schwellenwerte deutlich absenkt, bei denen die Abschalteinrichtungen anspringen. Das geschieht in zwei Fällen schon nach wenigen tausend Kilometern Laufleistung. Zwei der Abschalteinrichtungen betreffen das Abgasrückführ-System des Fahrzeugs.

Die Abschalteinrichtungen aktivieren sich in Fahrsituationen, die auf der Straße üblich sind. „Bereits bei normaler Fahrweise verhindert so gut wie immer mindestens eine Abschalteinrichtung die Verbesserung der Emissionen aktiv – auch wenn es physikalisch oder zum Motorschutz gar nicht notwendig ist. So wird die eingespritzte Menge an AdBlue deutlich reduziert, die zur Neutralisierung der Stickoxide im SCR-Katalysator dringend benötigt wird; ähnlich wird die Abgasrückführungsrate reduziert. Oft leistet dadurch die eigentlich fähige Abgasaufbereitungshardware nur einen Bruchteil der möglichen Leistung, das Fahrzeug stößt unnötig große Mengen Stickoxide aus“, so der Softwareexperte.

Abgasskandal: Profitmaximierung zu Lasten von Umwelt und Gesundheit

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sieht in dem Gutachten den Beweis, dass der Daimler-Konzern neben temperaturgesteuerten noch weitere illegale „defeat devices“ einsetzt. „Das Gutachten von Felix Domke überführt Daimler endgültig. Es zeigt uns erstmals, wie es dem Konzern gelingt, im Prüflabor die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, im realen Straßenbetrieb unsere Städte hingegen mit gesundheitsschädlichen Stickoxiden regelrecht zu fluten.“ Die Manipulation der Abgasreinigung gebe es nicht etwa, weil das aus physikalischen Gründen oder zum Zweck des Motorschutzes erforderlich wäre. Es gehe Daimler um Profitmaximierung zu Lasten der Umwelt und der Gesundheit der Stadtbewohner, so Resch.

Auch aktuelle Abgasmessungen des Emissions-Kontroll-Institutes (EKI) zeigen, dass Daimler in dem untersuchten Fahrzeug E350T der Euronorm 6 mehrere illegale Abschalteinrichtungen installiert hat. Das Fahrzeug hält die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte bei Prüfstandmessungen ein, zeigt auf der Straße aber einen Anstieg der Stickoxid-Emissionen um bis zu 500 Prozent und mehr.

Mehrere vom EKI durchgeführte Abgasmessungen an weiteren Mercedes-Diesel-Pkw haben schon deutliche Hinweise darauf geliefert, dass Mercedes-Fahrzeuge mit vergleichbaren Motoren und Technologien ähnliche illegale Abschalteinrichtungen nutzen. Auch das KBA hat schon bei zahlreichen Daimler-Dieselfahrzeugen des Herstellers illegale Abschalteinrichtungen festgestellt.

KBA und Daimler halten Abschalteinrichtungen für „nicht unzulässig“

Das Kraftfahrt-Bundesamt erklärt die im Gutachten dokumentierten Abschalteinrichtungen für zulässig: „In dem Gutachten werden acht Abschalteinrichtungen des betreffenden Modells mit dem Dieselmotor OM 642 benannt. Diese sind uns bekannt“, sagte ein KBA-Sprecher am Freitag. Sie seien bereits geprüft und für „nicht unzulässig“ befunden worden. Auch die Daimler AG streitet weiterhin ab, bei in Deutschland und Europa verkauften Diesel-Pkw illegale Abschalteinrichtungen zu verwenden. Ein Konzernsprecher teilte mit, die „beschriebenen Parametrierungen“ seien bereits bekannt und „nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen zu bewerten.“

Der Umwelt- und Verkehrsexperte Axel Friedrich sieht das anders und kommentiert die Untersuchungsergebnisse wie folgt: „Die Behauptungen der Autohersteller, dass es durch die Fahrbedingungen zu hohen Schadstoffemissionen auf der Straße kommt, werden hier ad absurdum geführt.“ Es sei zu hoffen, dass auch die Gerichte den unsinnigen Behauptungen der Autohersteller keinen Glauben mehr schenken und den Autobesitzern endlich zu ihrem Recht verhelfen.

Daimler verstößt gegen geltendes Recht

Für Glenn Phillips, geschäftsführender Gesellschafter der internationalen Anwaltskanzlei Milberg, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, ist der Fall rechtlich eindeutig: „Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der Daimler-Konzern eine Vielzahl unzulässiger Abschalteinrichtungen installiert hat, die eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen. Betroffenen Verbrauchern steht jetzt offensichtlich Schadensersatz zu, schließlich ist ihnen ein mangelhaftes Fahrzeug verkauft worden, für das sie den vollen Kaufpreis bezahlt haben.“ Rechtlich könne man hier von Betrug gegen die Umwelt und gegen die Kunden sprechen.

Die DUH fordert einen amtlichen Rückruf für alle Diesel-Pkw mit aktiven Abschalteinrichtungen. Wie in den USA müssten endlich alle Diesel-Fahrzeuge mit Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung entweder stillgelegt oder auf Kosten der Hersteller repariert werden. Die Weltgesundheitsorganisation habe erst kürzlich die Absenkung des Stickstoffdioxid-Grenzwerts von 40 auf 10 µg/m3 im Jahresmittel gefordert. Um das zu erreichen, müssen laut Resch „alle illegalen Quellen für Dieselabgasgifte ins Visier genommen werden – es muss endlich gehandelt werden.“

Vom Abgasskandal betroffene Mercedes-Besitzer sollten jetzt prüfen lassen, ob auch ihr Diesel über illegale Abschalteinrichtungen verfügt. Sie können gern unsere kostenlose und unverbindliche Erstberatung nutzen und von unserer umfassenden Expertise im Dieselskandal profitieren.